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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 20.04.2006
Aktenzeichen: 1 Sa 46/06
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 46/06

Verkündet am 20.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 20.04.2006 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 07.12.2005 - öD 1 Ca 1459 b/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Klägerin war bei der Beklagten mit Wirkung ab 01.05.2005 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22.04.2005 als Krankenschwester eingestellt worden; der Arbeitsvertrag war auf den 30.06.2006 befristet. Die Klägerin war zuvor einen Tag, nämlich am 19.04.2005, bei der Beklagten tätig. Unter Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten.

Mit Schreiben vom 05. August 2005 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin an; wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 10/11 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.08.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2005.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 15.08.2005 unter Einhaltung der Probezeit-Kündigungsfrist von zwei Wochen mit Ablauf des 31.08.2005 beendet worden. Es könne dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis wirksam befristet worden sei. In Ziff. 2 des Arbeitsvertrages hätten die Parteien eine sechsmonatige Probezeit vereinbart, hieraus ergebe sich die kurze Kündigungsfrist.

Die Kündigung sei auch nicht unwirksam gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Dass die Beklagte den Betriebsrat noch zusätzlich substantiiert Umstände mitgeteilt habe, auf denen die Beurteilung beruht habe, führe nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung als solcher.

Die Klägerin habe auch keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus den sich ergebe, dass die Kündigung willkürlich erfolgt sei.

Gegen dieses ihr am 03.01.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.02.2006 durch Telekopie und am 06.02.2006 durch Originalschriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung am 01.03.2006 durch Telekopie und am 02.03.2006 durch Originalschriftsatz begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß sei. Die Anhörung sei schon deswegen fehlerhaft, weil dem Betriebsrat in der Anhörung ihre Tätigkeit am 19.04.2005 nicht mitgeteilt worden sei. Die genannten Gründe seien aus dem Zusammenhang gerissen, sachlich falsch und unberechtigt. Hierzu habe sie bereits erstinstanzlich vorgetragen. Die Anhörung werde damit den Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts an eine Anhörung nicht gerecht.

Die Kündigung sei auch willkürlich und sittenwidrig. Die wenig substantiierten Vorwürfe basierten auf Vorfällen nichtiger Art. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie, die Klägerin, als Teilzeitkraft für zwei Tage in der Woche eingestellt worden sei und von daher drei Monate Arbeitszeit lediglich einer Erprobung von 26 Arbeitstagen bedeuteten. Die Vorwürfe der Beklagten seien in keinster Weise nachvollziehbar. Sie habe auch keine ordnungsgemäße Einarbeitung bekommen. Aufgrund der persönlichen Situation habe sie keine Überstunden leisten können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 7. Dezember 2005 - ÖD 1 Ca 1459b/05 abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 15. August 2005 mit Ablauf des 31. August 2005 beendet wurde.

2. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Krankenschwester zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts. Sie meint, sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet. Bei der Mitteilung komme es allein auf ihre, der Beklagten, subjektive Determination hinsichtlich der Kündigungsgründe an. Insofern sei die Anhörung hier ordnungsgemäß. Es reichten bloße Werturteile. Unrichtig sei die Behauptung der Klägerin, dass sie, die Beklagte, bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen abgegeben habe.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klägerin im Berufungsrechtszug keine ausreichenden Tatsachen dafür vorgetragen hat, dass die Kündigung willkürlich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu den Kündigungsgründen ausreichend im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG angehört hat.

a) Bei den Anforderungen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt hat. Daraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung dient, ob das Arbeitsverhältnis auf Dauer fortgesetzt werden kann. Hat bei einer derartigen Kündigung der Arbeitgeber keine auf Tatsachen gestützten und demgemäß durch die Mitteilung dieser Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe, so genügt es, wenn er dem Betriebsrat seine subjektiven Wertungen mitteilt, die ihn zur Kündigung veranlassen. Jedenfalls ist die Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG subjektiv determiniert und es reicht aus, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Tatsachen und Überlegungen informiert, auf die er seine Kündigung stützen will (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.09.2005 - 2 AZR 366/04 -, NZA 2006, 204 unter Hinweis auf die st. Rechtspr. des Bundesarbeitsgerichts). Die Anhörung des Betriebsrats durch die Beklagte wird diesen Anforderungen gerecht.

b) Im Anhörungsschreiben vom 05.08.2005 sind durchweg Wertungen der Beklagten enthalten. Danach ist die Klägerin den Anforderungen, die an eine OP-Mitarbeiterin gestellt werden, nicht gerecht geworden. Die Einarbeitung habe sich schwierig gestaltet. Die Bereichsleitung und das OP-Team seien zu der Entscheidung gekommen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Lediglich zur Begründung bezieht sich die Beklagte dabei auf ihr Vorbringen, dass die OP-Ablaufprozesse von der Klägerin nicht angenommen worden seien und dass Veränderungsvorschläge zuerst den Operateuren und nicht deren unmittelbaren Vorgesetzten vorgestellt worden seien. Die Beklagte hat damit ihre subjektiven Wertungen und hierzu ergänzend auch Tatsachen mitgeteilt, auf die sie die Kündigung stützen will. Ordnungsgemäß wäre die Anhörung nur dann nicht, wenn die Beklagte wider besseres Wissen Tatsachen vorgetragen hätte, um den Betriebsrat zu täuschen.

c) Die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat, dass die Klägerin bereits einen Tag, nämlich am 19.04.2005, für die Beklagte gearbeitet hat. Diese Tatsache - nämlich eine Betriebszugehörigkeit von einem weiteren Tag - war für die Beklagte und für eine Wertung durch den Betriebsrat ohne Bedeutung. Erheblich wäre dieser Umstand nur dann gewesen wird, wenn dadurch etwa die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt worden wäre.

2. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

a) Für einen Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

b) Die Kündigung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen vor allem Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen; mit der Kündigung dürfen auch keine vertragsfremden oder unlauteren Zwecke angestrebt werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer (hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 511/03 -, AP Nr. 142 zu § 102 BetrVG 1972). Diese Darlegungslast hat die Klägerin nicht erfüllt. Die Klägerin hat auch im Berufungsrechtszug keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die Kündigung rechtsmissbräuchlich ist. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die von der Beklagten behaupteten Kündigungsgründe nicht vorliegen oder dass die Einarbeitungszeit nicht ausreichend war, da es sich insoweit um Gründe handelt, die von § 1 Abs. 1 KSchG erfasst werden. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagte keine Kündigungsgründe benötigt. Dafür, dass es sich lediglich um von der Beklagten vorgeschobene Tatsachen handelt, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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